Wie VIVAS entstand

 
 
 

Ne parles jamais de la cuisine…

Einer meiner frankophonen Lehrer hatte einen strengen Grundsatz: wenn du Gäste hast, dann sprich nie darüber, wie du gekocht hast und wie es in der Küche aussieht (nämlich unaufgeräumt und chaotisch). Er meinte damit, dass wir unsere Gäste nicht mit den Begleitumständen und Hintergründen der Vorbereitungen behelligen sollten, wenn wir Ihnen eine gute Zeit bei uns bereiten wollen. Ich glaube in unserem Fall ist es etwas anders. Viele Gäste von VIVAS wenden sich an uns im Zustand tiefer Trauer und Verzweiflung auf Suche nach ein bisschen Hoffnung und Orientierung. Ehrlichkeit und Transparenz gehören zu den ganz wichtigen Grundsätzen unserer Arbeit. Daher ist es uns ein Anliegen, offen über die Entwicklung von VIVAS zu berichten.

 

Trauer ist keine Krankheit

Am Anfang von VIVAS steht die erschütternde Erfahrung des schweren Abschieds, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Vor über 20 Jahren baten mich erstmals Eltern nach dem Verlust ihres Kindes um Hilfe. Ich war damals sehr überfordert mit der Thematik und suchte in der Literatur nach Rat. Offensichtlich litten diese Menschen extrem und doch unterschieden sie sich in vieler Hinsicht von Patienten mit Depressionen oder Ängsten. Gab es bei letzteren Manuale und genaue Anleitungen, wie man die “Störung” bekämpfen könnte, wurde schnell klar, dass Menschen nach schweren Verlusterlebnissen nicht einfach mithilfe einer Technik auf die Beine gestellt werden könnten. Schließlich ist Trauer keine Krankheit. Über die Jahre hinweg haben mir meine Patienten nach und nach beigebracht, was es heißt einen geliebten Menschen zu verlieren. Auch all mein Handwerkszeug der Begleitung verdanke ich im Grunde den hilfesuchenden Menschen, die sich mir geöffnet haben. Sehr bald wurde dabei klar, dass viele neben dem Schmerz des Verlusts vor allem auch Kreativität, Liebe, Hingabe, Hilfsbereitschaft, Tapferkeit, Durchhaltevermögen, und den Wunsch nach Leben mitbrachten. Trauernde Menschen zu begleiten bedeutet auf der einen Seite, sie in ihrem Schmerz auszuhalten, und auf der anderen Seite sie mit Ihrem eigenen Potential an Lebendigkeit in Berührung zu bringen. 

 

VIVAS bedeutet: Geben und Nehmen

Das ist die Geburtsstunde von VIVAS. Obwohl viele, die bei VIVAS sind, selbst noch schwer an der Wunde tragen, lebt in ihnen bereits der Wunsch, Gutes zu tun und andere zu unterstützen. Im Grunde kann kaum jemand einem trauernden Menschen so offen und liebevoll begegnen, wie jemand, der selbst die Erfahrung eines schweren Verlusts gemacht hat. Genau dieses Potential will VIVAS nutzen. All die Möglichkeiten, wie trauererfahrene Menschen miteinander in Kontakt kommen, sollte durch VIVAS einen geeigneten Rahmen finden. Mit einigen großartigen Menschen, die in den vergangenen Jahren ihren Verlust mit mir geteilt haben, habe ich VIVAS geplant, und im Laufe des Jahres 2021 ist es uns gelungen, den gemeinnützigen Verein aus der Taufe zu heben. Ich habe großes Engagement, Verbindlichkeit und Begeisterung bei meinen Mitstreiterinnen erlebt. Sie wollten wirklich Teil von VIVAS werden. Natürlich war dabei „die Küche“ nicht immer aufgeräumt und es gibt auch kein fertiges Rezept für die kommenden Jahre. Aber bei VIVAS  ist eine gespannte Aufbruchstimmung spürbar. Das gemeinsame Tun steht im Mittelpunkt. Die Teilnahme bei VIVAS zielt dabei immer in zweierlei Richtung: selbst Anregungen und Impulse von anderen zu bekommen und außerdem eigenes Potential und Fähigkeit einzubringen. VIVAS wendet sich an Menschen, die ihren Verlust mit anderen teilen wollen, die aber auch wieder spüren möchten, dass dieses Leben noch etwas für sie bereit hält. Bereits 2021 gab es zahlreiche gemeinsame Aktivitäten. Von der Online-ZOOM-Gründungsveranstaltung, über die Wanderung in Andechs bis zur Segnung der Verstorbenen hatten wir bewegende Treffen und einen intensiven Austausch, um uns gegenseitig noch besser kennenzulernen. Jetzt sind wir bereit: Wir möchten gemeinsam mit anderen erleben, ausprobieren und unterstützen. VIVAS, du darfst leben…du wirst leben…

David Althaus

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